Am Donnerstag hat uns Familie Lösche durch ihre Werkstatt und das Museum geführt.
Auf dem Grundstück entdeckte sein Vater, der Keramiker Ernst Lösche, durch Zufall die Abfallgrube einer ehemaligen Töpferei. Es wurden umfangreiche Fayence Keramikfunde sichergestellt, die den Vorbesitzern des Grundstückes, dem Hafner Wilhelm Rauch und seinem Schwiegersohn Andreas Erntl, zugeschrieben werden konnten, die hier von 1679 bis 1726 ihre Werkstatt hatten.
Durch die Funde auf dem Grundstück angespornt, hat Wolfgang Lösche selbst viel zur Geschichte der historischen Keramik in Dießen geforscht.
Beispiele produzierter Gartenkeramik
Dießen war bereits sehr früh ein Zentrum der Keramikproduktion. In den Böden der Gegend war reichlich Ton vorhanden, von verschiedener Qualität. Die Nachweise für eine lokale Keramikproduktion in Dießen reichen bis in das 11. Jahrhundert zurück und stehen in Zusammenhang mit dem hier ansässigen Dießener Grafengeschlecht. Als diese ihren Wohnsitz nach Andechs verlegten, folgten die Augustiner Chorherren und mit ihnen siedelten sich viele Handwerker an.
Wolgang Lösche und seine Frau führten uns durch die Produktions- und Ausstellungsräume
Im Mittelalter brannte man vorwiegend irdene, unglasierte Gebrauchsgefäße, Dachziegel und Bodenfliesen. Funde des 15. und 16. Jahrhunderts belegen eine umfangreiche Geschirrproduktion an unglasierter und zum Teil glasierter Irdenware wie sie für das südliche Oberbayern und das angrenzende Schwaben typisch ist.
Einzelne Hafnernamen lassen sich bis in das 16. Jahrhundert zurückverfolgen, ohne dass man jedoch einen schriftlichen Nachweis für die Fayenceproduktion erbringen kann.
Arbeitsplatz mit elektrisch angetriebener Töpferscheibe
Exkurs Fayencen
Fayence, kannten die Perser seit dem 5. Jahrhundert. Von dort verbreitete sich die Keramikkunst auf den gesamten islamischen Kulturkreis und kam über das von den Mauren besetzte Spanien nach Europa. Im 14. und 15. Jahrhundert weckte in Fayence-Technik hergestellte Keramik das Interesse italienischer Kaufleute. Von Mallorca aus, einem der spanischen Haupthandelsplätze, gelangte die Keramik unter dem Namen Majolika nach Italien. Die italienischen Töpferwerkstätten fertigten später selbst Majolika-Keramik an und entwickelten ihren ganz eigenen Stil. Im 16. Jahrhundert prägten die Franzosen mit dem Wort Fayence einen neuen Begriff für die kunstvollen Keramiken, abgeleitet aus dem Namen der italienischen Stadt Faenza, die damals eines der Zentren zur Herstellung von Fayence-Keramik war. Nun begannen auch weitere Europäische Töpferwerkstätten mit der Herstellung von Geschirr nach italienischem Vorbild. In den Niederlanden wurde die Stadt Delft berühmt für ihr Porzellan mit der charakteristischen kobaltblauen Bemalung und auch in Deutschland kreierten Töpfer eine eigene Stilrichtung der Fayence-Keramik. Die weiße Glasur mit blauer Bemalung war sehr beliebt im Bürgertum. Anfang des 18. Jahrhunderts lüfteten sächsische Töpfer das Geheimnis der chinesischen Porzellanherstellung und die Porzellanmanufaktur Meißen entstand. Nun wurde Fayence mehr und mehr vom eleganteren Porzellan verdrängt.
In Dießen ist die Produktion von Fayencen für das 17. Jahrhundert sicher nachgewiesen.
Belegt wird dies durch einen schriftlich festgehaltenen Streitfall aus dem Jahr 1631, in dem erstmals von „plab und weiss Geschirr“ gesprochen, womit die Fayencen gemeint sind. Auch das Grabungsmaterial aus den Abfallgruben ehemaliger Dießener Töpfereien, das auf das 17. und 18 Jahrhundert datiert ist, kann als wichtig Quelle herangezogen werden.
Dass in Dießen Fayencen hergestellt wurden, war etwas Besonderes. Fayencen waren in Europe wertvoll, da sie im 15. Jahrhundert als Ersatz für chinesisches Porzellan dienten, das in Europa erst ab etwa 1720 hergestellt werden konnte.
Durch wissenschaftliche Untersuchungen ist gesichert, dass es sich bei den Dießener Fayencen tatsächlich um zinnglasierte Irdenware handelt. Ton in unterschiedlicher Qualität gibt es überall in Dießen. Besonders und gut geeignet zur Herstellung von Fayencen waren die hellen Tonsorten. In Dießen wurde der Melber Horn (Flurname ) zwei Kilometer Richtung Wessobrunn gefunden. Darauf weisen Trichtergruben hin. Die Analyse der dort gefundenen Tonproben ist identisch mit den Tonscherben aus Dießen. Der Ton wurde dann mit einer weißen Grundglasur versehen.
Im 17 Jahrhundert gab es im Markt Dießen nachweißlich acht Werkstätten mit einer umfangreichen Produktion an Geschirr und Ofenkacheln.
In der oben erwähnten Streitschrift von 1631 wird außerdem darauf eingegangen, dass sich die drei klagenden Dießener Hafner nur durch den Handel mit dieser Ware in ferne Städte ernähren konnten. Was auf eine überregionale Verbreitung der Keramik schließen lässt.
Wie weit die Dießener Fayenceproduktion zurückreicht lässt sich bisher nicht sicher nachweisen. Einen wichtigen Anhaltspunkt liefern die bunt glasierten Dachziegel des gotischen Kirchturmes der ehemaligen Klosterkirche, die auf einem Gemälde dargestellt sind. Bei Bauarbeiten im Bereich der ehemaligen Kirche konnten die Bruchstücke von grün, braun und weiß glasierten Dachziegeln geborgen werden. Die Analyse der weißen Dachziegel erbrachte den Nachweis einer deckenden Zinnglasur für das Jahr 1469, dem Erbauungsjahr des Kirchturmes.
Ausgrabungen aus Ingolstadt haben Fayenncen mit Dießener Ursprung zu Tage gebracht, die nahelegen, dass bereits in den 1580/90 Jahren in Dießen bereits Fayencen hergestellt wurden.
Die mit weißer Fayenceglasur versehenen Dachziegel des 15. Jahrhunderts und die Schilderung der Dießener Fayencen 1631 als Handelsware lassen vermuten, dass die Anfänge der Fayencegefäßproduktion in Dießen bereits im 16. Jahrhundert liegen könnten. Der durchgängig ähnliche Malstil beweist, dass dieser sich über 300 Jahre gehalten hat.
Ein Brennofen für Keramiken in der Werkstatt
In der Werkstatt der Familie Lösche werden unter anderem auch Keramikwaren nach den Vorbildern der Dießner Hafner aus dem 17. Jahrhundert angefertigt.
Die Werkstatt besitzt 2 Drehscheiben zur Bearbeitung des Tons. Dieser stammt nicht mehr aus den Tongruben der Gegend um Dießen, sondern wird aus dem Westerwald bezogen, etwa eine Tonne Ton pro Halbjahr.
Zunächst wird die Form nach alten Mustern hergestellt. Die Keramikteile müssen zunächst durchtrocknen und werden dann anschließend mit einem weichen Schwamm geglättet.
Nach dem ersten Brennvorgang bei 950 Grad Celsius ist die Keramik noch naturfarben. Sie wird dann mit einer Glasur überzogen. Die Motive werden mit Metalloxiden verschiedener Farben aufgetragen und verschmelzen dann mit der Grundglasur zu einer festen Glasur. Eine Porzellanmalerin trägt die Farbe mit einem Pinsel direkt auf die ungebrannte weiße Glasur gemalt auf. Jeder Strich, der ausgeführt wird, lässt sich nicht mehr korrigieren.
Keramiken in verschiedenen Bearbeitungsstufen und die Behälter der verschiedenen Glasuren
Es werden standardisierte, historische Muster verwendet, die sich aus den gefundenen Scherben rekonstruieren ließen.
Die dominierende Malfarbe ist, wie bei den Fayencen des 17. Jahrhunderts , das Blau, das oft auch von Braun unterstützt sein kann. Daneben existieren auch Gefäße die alle vier typischen Fayencemalfarben, Blau, Braun, Gelb und Grün beinhalten.
Typische Dekore der Dießener Fayencen sind die rechtsdrehende Spirale, der Apfel, der oft als Granatapfel gestaltet ist und in der Barockzeit sehr beliebt war, Vögel, Tulpen, Spiralranken und eine Vielzahl geometrischer oder frei gestalteter Schraffur- und Strichmuster.
Nach dem Bemalen und Glasieren wird die Keramik ein zweites Mal bei 1100 Grad gebrannt, wodurch das Material wasserundurchlässig wird.
Durch die Funde des Werkstattabfalls konnte, entgegen der bisherigen Annahme, nachgewiesen werden, dass bereits im 17 Jahrhundert zweifach gebrannt wurde
Für transparente Glasuren wurde Glas, also Quarzsand verwendet, der ursprünglich zur Reduktion der Schmelztemperatur mit Blei versetzt wurde.
Gebrauchsgeschirr im Ausstellungsraum
Aus Rechnungsbelegen kann abgelesen werden, dass Dießener Hafner altes Fensterglas und auch die Bleirahmen gekauft haben, um Glasuren zu produzieren. Zu Bearbeitung wurden in Dießen Glasmühlen betrieben.
Früher wurden als Farben traditionell folgende Metalloxide verwendet:
Eisenoxid: Honiggelb bis schwarz
Cobalt: Blau
Kupfer: Rot oder Grün
Antimon: gelb
Mangan: braun - Violett
Bei Keramik Lösche werden heute noch vorwiegend Metalloxide verwendet und weniger häufig die modernen industriell hergestellten Farbkörper. Die Schwermetalle werden alle auf Lebensmittelsicherheit geprüft. Analysen haben nachgewiesen, dass durch das Brennverfahren keine schädlichen Substanzen freiwerden
Auch der Brennvorgang (reduzierend / oxidierend) hat Einfluss auf die Farbe. Es wurden mittelalterliche Gefäße gefunden, die grau bis schwarz waren. In einem Schwarzbrandofen kann Wolfgang Lösche diesen Effekt nachstellen.
Rote Tonerde enthält Eisenerz. Diese verfärbt sich beim oxidierenden Brennvorgang rot und beim reduzierenden schwarz.
Wolfgang Lösche hat an einem Beispiel demonstriert, dass es bei einem Objekt möglich ist, gleichzeitig reduzierend und oxidieren zu brennen. Ein Verfahren, das in der Antike beliebt war.
Wolfgang Lösche zeigt uns seinen Schwarzbrandofen
Exkurs Reduktionsbrand
Beim Reduktionsbrand keramischer Erden, luftdicht ohne Sauerstoff, entsteht ein Kohlenstoffüberschuss in Form von Kohlenmonoxid (CO), der in der Ofenatmosphäre und im Brenngut selbst zu einem Entzug von Sauerstoff führt. Ein Reduktionsbrand führt im Ofen immer zu einer Rauchentwicklung, die sich als Nebelschlag auf den Scherben absetzt. Im Gegensatz dazu beruht die Brenntechnik des Oxidierens darauf, dass der Ofen mit Sauerstoff angereichert wird.
Im kleinen Museum über dem Produktionsraum konnten wir einige der Originalfundstücke besichtigen. Neben dem irdenen Gebrauchskeramiken umfasst die Sammlung auch besondere Fayencen, Apothekengefäße und Ofenkacheln. Die Apothekergefäße, wahrscheinlich hergestellt für die Klosterapotheken, wurden bei der Sanierung des Mühlbaches zu Tage gefördert.
Historische Keramiken in einer Vitrine des Museums
Charakteristisch für die Dießener Fayencen des 17. Jahrhunderts sind die auf ihrer Bauchzone sechsfach abgeplatteten Krüge. Ein bauchiger Krug aus dem Jahr 1667 zeigt auf den Abflachungen Bildern der Genese des Granatapfels. Der Granatapfel gilt als christliches Sympol. Er symbolisiert das Blut Christi.
Ein komplett erhaltener Krug dieser Form, datiert auf das Jahr 1655, befindet sich im Stadtmuseum Weilheim. Das zentrale Motiv dieses Kruges sind die Leidenswerkzeuge Christi, daneben die Inschriften MARIA und IHS, sowie Verzierungen mit Blatt- und Rankenmotiven und Granatapfeldarstellungen. Genau die Motive des „Weilheimer Kruges“ hat man in Werkstattbruchgruben in Dießen ausgegraben.
Die Nachbildung eines Kruges von 1655
Im Februar 2008 konnte ein komplett erhaltener Dießener Fayencekrug mit ähnlichen Motiven und der Jahreszahl 1684 von der Marktgemeinde im Kunsthandel erworben werden.
Das Bayreuther Stadtmuseum besitzt einen Fayencekrug mit sechsfach gedrückt, medaillonartige Flächen, bemalt mit besonderen Motiven bemalt. Das zentrale Motiv ist ein reitender Husar, daneben befinden sich Abbildungen von Tieren (Hund, Hase, Vogel, Hirsch). Auf dem Grundstück des Keramikers Lösche wurden Bruchstücke eines exakt gleichen Fayencekruges in einer Werkstattbruchgrube geborgen. Die Herstellung des „Bayreuther Kruges“ lässt sich somit auf die Dießener Hafnerei Rauch-Erntl um 1690 zurückführen.
Neben den bauchigen und birnenförmige Krügen in unterschiedlichen Größen prägen auch Schüsseln mit abgesetzter Fahne und aufsteigendem Rand, Doppelgriffschüsseln deren Griffe in Form von Engelsköpfen aus Modeln geformt wurden und Apothekengefäße unterschiedlicher Formen, Größen und Ornamentik die Dießener Fayencen des 17. Jahrhunderts.
Im Garten der Familie Lösche
Es war ein sehr interessanter und aufschlussreicher Besuch. Nicht nur wegen der schönen Keramikobjekte, die bereits im idyllischen Garten der Familie Lösche bewundert werden können, sondern auch aufgrund der ausführlichen historischen Hintergrundinformationen durch Herrn Lösche. Dafür nochmals vielen Dank.
Im nahegelegenen Wirtshaus am Kirchsteig haben wir das Gesehene noch weiter diskutiert.