Unsere letzte Exkursion in diesem Jahr führte uns zum Gestaltarchiv Hans Herrmann e.V. nach Schondorf. Der Kunstpädagoge Hans Herrmann (1899 - 1981) hatte nach dem 1. Weltkrieg die grundlegende Bedeutung des bildnerischen Gestaltens zur Entwicklung von Jugendlichen erforscht und darauf aufbauend seine kunstpädagogische Lehre entwickelt.
Während seines Studiums an der TU München lernte er den Kunstheoretiker Egon Kornmann (1887-1982) kennen, der ihn stark beeinflusste. Nach dem ersten Weltkrieg gründeten Kornmann und sein Lehrer Gustaf Adolf Britsch (1879 -1923) die «Schule für Bildende Kunst» in Starnberg. Beide vertraten eine vielbeachtete Lehrmeinung über die kindliche künstlerische Entwicklung, welche Eingang in den Kunstunterricht in Deutschland fand. Bridge war der erste, der die Entwicklung der künstlerischen Arbeit von Kindern mit der Entwicklung der prähistorischen Kunst verglich. Aus einer zunächst einfachen „flächigen“ Darstellung entwickelt sich durch verbesserte Wahrnehmung eine mehr und mehr differenzierte Darstellung.
Bildskizze, die ein Portrait von Gustaf Adolf Britsch zeigt
In Lehrgängen über Theorie und Praxis der Kunst und Kunsterziehung in der Starnberger Britsch-Kornmann-Schule wurden über Jahrzehnte zahlreiche internationale Künstler und Kunstlehrer ausgebildet und beschäftigt, so auch Hans Herrmann.
Herrmann entwickelte die Theorie von Britsch weiter. Grundlage war die Einsicht, dass bildnerisches Gestalten die unverwechselbare Fähigkeit eines jeden Menschen ist, die sich nach innerer Gesetzmäßigkeit entwickelt, jedoch von frühester Jugend an der Schulung und Führung bedarf. Diese lässt sich durch das Schulen des „Auges“ intensivieren, indem man dem Kind ähnliche Gegenstände, die das gleiche abbilden aber unterschiedlich differenziert ausgestaltet sind, gegenüberstellt. Das Kind soll dann selbst beurteilen woran man eine „gute Gestalt“ erkennt.
Vitrinenbild zum Wirken von Hans Herrmann (1899-1981)
Bildskizze, die ein Portrait von Eleonore Weindl zeigt
1935 wurde Herrmann zum Fachberater für Zeichnen und Werken der Klassenlehrer in München ernannt. Seine Erkenntnisse über die Formsprache des Kindes und ihre geistige Entwicklung haben weitreichenden Einfluss auf den gesamten Zeichenunterricht der allgemeinbildenden Schulen gewonnen.
Mit der Zeitschrift „DIE GESTALT“ brachte Hans Herrmann 1933 eine der ältesten bestehenden Fachzeitschriften für bildnerische Erziehung im deutschen Sprachraum heraus. Sie galt als Forum für Kunsterzieher und Lehrer aller Schulgattungen, die dort ihre Arbeiten vorstellten, darüber reflektierten und diskutierten.
Erstausgabe (Webseite Gestaltarchiv)
Ab dem Jahr 1965 arbeitete Hans Herrmann mit der Grundschullehrerin Eleonore Weindl zusammen, die seine engste Mitarbeiterin wurde. Mit ihr zusammen baute er das Gestalt Archiv in Schondorf auf und gründete in seinem 80. Lebensjahr den Verein.
Das Gestaltarchiv Hans Herrmann e.V. beherbergt eine außergewöhnliche und umfassende Sammlung von Gestaltungsarbeiten aller Altersstufen. Das Archiv stellt ein einzigartiges Zeitzeugnis dar. Seit 1900 wurden Zeichnungen, Malereien, Scheren-und Linolschnitte sowie Werk und Textilarbeiten gesammelt und archiviert. Man kann Zeichnungen von früher mit denen von heute vergleichen und prüfen, wie die Kinder die Welt jeweils in ihrer Zeit gesehen haben.
verschiedene Kinderzeichnungen zu einem gleichen Thema
Grafik und Schrift, ein Schüler, zwei Lösungen einer Aufgabenstellung
Hans Hermann vermachte sein Schondorfer Wohnhaus, ein nach seinen Vorstellungen umgebautes Bauernhaus, dem Verein als Bildungszentrum für Kunstpädagogik. Seine langjährige Mitarbeiterin, Eleonore Weindl, führte die Arbeit nach seinem Tod fort, bis auch sie 2013 verstarb. Heute wird das Gestalt-Archiv von Vereinsmitgliedern ehrenamtlich geführt.
Der verwunschene Garten ist noch genauso erhalten, wie Frau Weindl ihn verlassen hat.
Herr Huber, Mitglied des Vereins und ehemaliger Schüler von Frau Weindl berichtete, dass Frau Weindl den Kindern etwas gezeigt oder erklärt hat und es sie später aus ihrer Erinnerung heraus hat malen lassen. So hat sie z.B. die Kinder in den Garten gerufen als ein Schmetterling gerade seinen Kokon verließ und sich entfaltete. Diese Eindrücke haben die Schüler dann später im Unterricht zu Papier gebracht.
Im Gestaltarchiv werden Teile der Sammlung in thematisch wechselnden Ausstellungen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Die aktuelle Ausstellung beschäftigt sich mit Schrift.
Poster zur Ausstellung "Schön - Schrift"
Zwei Schülerinnen erzählen im Bild von ihrem zu Hause
Im Ausstellungsraum
https://www.gestalt-archiv.de/