Anlässlich der 500-jährigen Altarweihe der Tiroler Kirche in Schönwies-Obsaurs wurde unser Vereinsmitglied Albin Völk eingeladen einen Vortrag über die "drei heiligen Frauen" zu halten. Coronabedingt hat dieser Vortrag nun verspätet am 16.11. 2024 in der gutbesuchten Volksschule der Gemeinde Schönwies stattgefunden. Wir vom Vorstand haben ihn begleitet.
Bereits in vorchristlichen Naturreligionen galt die Urmutter, die Magna Mater, als zuständig für Leben, Tod und Wiedergeburt und wurde an naturheiligen Orten, wie Bäumen, Quellen und Steinen verehrt. Sie wurde häufig in Ihren drei Lebensstadien, als junge Frau, reife Frau und alte Frau dargestellt. Man kennt sie als die drei Nornen, Parzen, Tres Fortuna, Grazien, Euminiden, Dissen, Matronen, Saligen und eben auch als die drei Bethen: Ambeth, Wilbeth und Worbeth (durch Lautverschiebungen der Mundart findet man regional viele unterschiedliche Bezeichnungen).
Bei uns war es Ambeth, die als Muttergottheit in der Reife des Lebens auch allein verehrt wurde. Ihr an die Seite gestellt waren: Wilbeth, als junge wilde, fruchtbare Frau, die den Lebensfaden spinnt und Worbeth, die alte weise, aber auch strenge, unberechenbare Frau, die den Lebensfaden abschneidet.
Bild der drei heiligen Frauen über der Eingangspforte der Kirche St. Vigil in Obsaurs
In Sagen haben sich die heiligen Frauen erhalten. Die ältesten zeugen von Naturfrauen, die dem Menschen wohlgesonnen waren. Spätere Sagen schildern sie als gebildete Damen von hohem Stand, die in Schlössern oder unterirdischen Gängen hausen und von einem Fluch erlöst werden müssen. Männer, denen dafür ein Schatz als Lohn angeboten wird, schaffen es nicht den Bann zu brechen. Die Kirche verehrt sie später als demütige Stifterinnen, die ihre Habe der Kirche vermacht haben.
In Zeiten, in denen sich offiziell längst die christliche Religion durchgesetzt hatte, fand im einfachen Volk mehr oder minder versteckt eine Rückbesinnung statt, wohl ausgelöst durch die großen verheerenden Pestepedemien. Im 13. – 15. Jahrhundert hatte die Verehrung der drei heiligen Frauen ihren Höhepunkt. Ein Beispiel dafür ist das Bild aus Leutstetten aus dem 14. Jahrhundert, dass 1643 übermalt wurde. Es kennzeichnet die Frauen mit den beigegebenen Attributen (Pfeile und Bücher) als weise Pestpatroninnen.
Gleichgültig, ob die drei Frauen als hl. Ambeth, Wilbeth und Worbeth, als Spes, Fides und Caritas oder als hl. Barbara, hl. Margarete und hl. Katharina verehrt wurden, sie blieben immer autonome, selbstbewusste Frauen. Im 16. und 17. Jahrhundert führten die kirchlichen Maßnahmen zur Eindämmung des Kultes zu einem gewissen Erfolg, nicht zuletzt durch die tiefgreifenden Auswirkungen der Hexenverfolgungen. Im 18. Jahrhundert ebbte der Kult um die drei heiligen Frauen ab. An ihre Stelle trat die Marienverehrung. Die alten „Bethenorte“ wurden durch den Bau von Marienwallfahrtskirchen und -kapellen umfunktioniert. Nur an wenigen Stellen findet man sie noch an ihren ursprünglichen Verehrungsplätzen, wie in der Kirche in Obsaurs.
Die Filiakirche St. Vigil im Weiler Obsaurs, Schönwies (Führung von Josef Fink)
Die in herrlicher Lage oberhalb des Inntales gelegene, gut erhaltene gotische Landkirche wurde 1452 erstmalig erwähnt und auf dem Platz einer romanischen Vorgängerkirche aus dem 12. Jahrhundert errichtet. Bis zur Errichtung der Kirche in Schönwies hatte die, dem hl. Vigil von Trient geweihte Kirche in Obsaurs die Funktion als Dorfkirche.
Sie ist die einzige bekannte Verehrungsstätte der drei Jungfrauen S. Ambett, S. Wilbett und S. Gwerbett in Österreich. Ihre Verehrung ist durch einen Eintrag im Kataster seit dem Jahr 1434 nachgewiesen. Eine frühere Verehrung ist wahrscheinlich. Der letzte Hinweis für ihren Kult ergibt sich aus Visitationsprotokollen der Jahre 1650 - 1739. Noch im 17. Jahrhundert wurden viele Mädchen im Ort auf den Namen Ambeth getauft. Den drei heiligen Frauen war, wie einer Weiheurkunde zu entnehmen ist, ein Seitenaltar der Kirche gewidmet.
Kirche St. Vigil in Obsaurs
Kirche St. Vigil in Obsaurs, Blick auf den Rokkokoaltar von Johann Schnegg
Kirche St. Vigil in Obsaurs, Wandmalereien, linker Seitenaltar mit romanischer Marienstatue
Kirche St. Vigil in Obsaurs, Altarbild und Wandmalereien
Die Kirche war außen und innen mit Wandmalerein aus dem 16. -17. Jahrhundert geschmückt. Im Zuge der Barockisierung wurde die Kirche geweißelt und die Bemalung übertüncht. Bei der Renovierung im Jahr 1962 wurden die Zeichnungen teilweise wieder freigelegt. Von der ursprünglich gotischen Ausstattung ist nur die Kanzel erhalten. Der gotische Altar wurde durch den heutigen Rokkokoaltar von Johann Schnegg ersetzt. Das Altarbild zeigt die hl. Vigil und Gallus. Auf der Mensa des linken Seitenaltares steht eine Marienstatue, die sogenannte “Winkelmuttergottes“. Man geht davon aus, dass die bäuerliche romanische Frauenfigur aus dem Jahr um 1300 stammt und Gwerbett darstellt, die hier ursprünglich allein verehrt wurde. Krone und Zepter wurden erst nachträglich zugefügt.
Über dem Eingang hängt das frühe barocke Gemälde der drei Jungfrauen, Es könnte noch vor 1600 entstanden sein, da es in einem Vistitationsprotokoll aus dem Jahre 1602 erwähnt wurde. Historiker gehen davon aus, dass es seinen Ursprung im bayerischen Raum hat. Das Bild wurdei zur Zeit des barocken Umbaus entfernt. Man hat es erst 1960 im Widdum (Pfarrhof) in Schönwies auf dem Dachboden wiederentdeckt.
1770-1780 haben die Schönwieser den Frauenkult wieder eingeführt. Mit dem Umbau der Kirche von 1855 -1899 hat man im Jahr 1860 den tiroler Kirchenmaler Johann Kärle beauftragt ein neues Bild der drei Jungfrauen anzufertigen. Das Bild im Nazarener Stil stand lange im Seitenaltar der Kirche. Namen und Schreibweise der drei heiligen Frauen (S. Aubet, S. Cubet und S. Guere), hat er aus Meransen übernommen.
Das Bild, das heute in der Sakristei hängt, stellt dar wie die drei heiligen Frauen nach Obsaurs gekommen sind. Der Sage nach handelt es sich um drei Königskinder aus Bayern die in Obsaurs unter einer Esche eine Quelle gefunden haben. Vor der Kirche steht tatsächlich eine sehr alte, ehrwürdige Esche, die als Naturdenkmal ausgewiesen ist und im nahegelegen Wald gibt es eine Quelle, die vielleicht in früheren Zeiten als Kultort diente.
Bild der drei Jungfrauen aus dem Jahr 1860 von Johann Kärle
Es wird berichtet, dass die drei heiligen Frauen von Obsaurs im 19. Jahrhundert um Regen angebetet wurden. Dieser kam und ist wohl so heftig ausgefallen, dass man seitdem von der weiteren Anbetung abgelassen hat. Es ist der Spruch festgehalten: „Zu diesen Bethen gehen wir nimmermehr.“
Ein weiters Kleinod der Kirche ist eine Madonnenfigur, die Abbildungen der verschollenen Freisinger Seminarmadonna ähnelt.
Die Freisinger Seminarmadonna war ab 1709 auf dem Hauptaltar der Aula der fürstbischöflichen Hochschule am Marienplatz in München aufgestellt. Ihre Verehrung reichte weit über den Kreis der Kongregation hinaus. Die Originalfigur gilt seit 1848 als verschollen. Es haben sich nur als Andenken angefertigte Abbildungen erhalten.
Madonnenfigur mit Ähnlichkeit zur verschollenen Freisinger Seminarmadonna
Bei dem oberhalb der Kirche gelegene sogenannten „Römerturm“ handelt es sich um den Glockenturm der Kirche. Er stammt aus dem Spätmittelalter und wurde auf den Grundmauern einer alten Wehranlage errichtet. Der massive Turmstumpf wurde durch einen Holzaufbau zum Glockenturm umgebaut. Der Dachstuhl stammt aus dem Jahr 1645 und beherbergt drei Glocken. Die älteste wurde 1647 von Bartholome Kötelat gegossen.
Auf dem Hügel gab es Funde aus der Latènezeit.
"Römerturm" - Der Glockenturm der Kirche St. Vigil in Obsaurs
Dr. Sabine Pfannenberg, Albin Völk und Josef Fink
Nochmals ganz herzlichen Dank an Heimatforscher Josef Fink für die sehr gut organisierte Einladung zum Vortrag in Schönwies und die wunderbare Führung in Obsaurs
Untergebracht waren wir im idyllischen Klostergut Kronburg. Direkt gegenüber vom Gasthof steht die Wallfahrtskirche Maria Hilf. Sie wurde 1673 ursprünglich aus Dank errichtet. Nach der wundersamen Heilung seines dreijährigen Sohnes, der sich eine Messerspitze ins Auge gestochen hatte, ließ Hans Lechleitner gemeinsam mit Johann Raimund Fieger von Kronburg zum Dank ein Maria-Hilf-Bildnis nach Lucas Cranach malen und die Kapelle erbauen. Mit dem Geld zahlreicher Wallfahrtsspenden wurde die Kirche 1714 bis 1717 erweitert.
Klostergut Kronburg, ein bemerkenswert idyllischer und besinnlicher Ort
Wallfahrtskirche Maria Hilf von 1673
Wallfahrtskirche Maria Hilf, Blick in den Innenraum
Ein kleiner Ausflug führte uns zur hochgelegenen Burgruine, die von Weitem sichtbar auf einem steilen Felsen zwischen Zams und Schönwies steht. Die Burg wurde 1380 von Johann von Starkenberg erbaut und 1504 vom Geschlecht der Fieger großzügig umgebaut. Seit 1766 ist die Burg nicht mehr bewohnt und ist dem Verfall preisgegeben. Im Jahre 1985 wurde die Anlage auf Initiative des Vereins „Rettet die Kronburg“ restauriert. Ein Münzfund deutet darauf hin, dass auf dem Felsen der Kronburg das römische Castello Ircavio gestanden hat.
Burgruine Kronburg zwischen Zams und Schönwies, erbaut 1380 von Johann von Starkenberg
Mariengrotte und Aussichtspunkt unterhalb der Burgruine, Albin Völk, Jürgen Bruchhaus
Auf dem Rückweg haben wir noch Halt gemacht im Kloster Schlehdorf, einem „Bethen-Ort" in Bayern. Im Seitenaltar von St. Tertulin sind Statuen der drei hl. Frauen in langen weißen Gewändern mit ihren Attributen (Palmzweig, Buch und Pfeilen) untergebracht.
Das St. Tertulin geweihte Kloster wurde 763/772 durch die Huosi, ein in unserer Region ansässiges Adelsgeschlecht, gegründet. 1580 veranlasste Probst Wolfgang den Abriss einer baufälligen Kapelle zu Ehren der hl. Drei Jungfrauen und ließ eine Kirche bauen, deren Atar 1599 geweiht wurde. Die Kirche der hl. Einbetha, Wolbetha und Vielbetha stand an dem Ort der jetzigen Pfarrkirche. Die drei heiligen Frauen wurden hier wohl ab dem 12. Jahrhundert verehrt und bei Kindsnöten und Pest angerufen. Eine Handschrift bezeugt Wallfahrten zu den drei hl. Frauen ab 1348.
Kloster Schlehdorf
Kloster Schlehdorf, Statuen der drei hl. Frauen im Seitenaltar von St. Tertulin
Nach einer Stärkung bei Kaffee und Kuchen haben wir unseren Ausflug beendet.