Unsere Exkursion, organisiert und durchgeführt von Albin Völk startete in der St. Ottilienkapelle am heutigen Ortsausgang von Rott.
Bereits im Mittelalter stand hier, damals noch weit entfernt vom Ort, der bei der heutigen Pfarrkirche endete, eine hölzerne Einödkapelle.
Wahrscheinlich führte hier einst eine wichtige Straße entlang. Ein Indiz dafür ist auch das steinerne Tatzenkreuz. Steinkreuze bzw. Sühnekreuze wurden oft an Kreuzungen oder Wegrädern aufgestellt. Rott war frühbesiedelt und von alten Verkehrswegen gesäumt. In der Nähe hat man bronzezeitliche Hügelgräber an einer Trasse östlich der Ottilienkapelle, die nach Pessenhausen führte und weiter südlich die Römerstraße von Epfach nach Urusa (Raisting) kreuzte, gefunden. Bis 1960 war die Kapelle von einer Umfassungsmauer umgeben. Möglicherweise war hier ein Friedhof vorgesehen.
Vor der St. Ottilien Kapelle in Rott
Abt Paulus II. von Wessobrunn ließ die hölzerne Kapelle 1483 abbrechen und ersetzte sie durch einen steinernen Bau. Im Jahr 1775 wurde sie unter Abt Engelbert Goggl barockisiert und erhielt ihre heutige Gestalt.
Im Innern befindet sich noch ein prächtiger Hauptaltar mit einer wunderschönen spätgotischen Holzfigur der hl. Ottilie (um 1483), sitzend mit Äbtissinnenstab, mit einem Buch als Zeichen für Weisheit und zwei Augen als Symbol ihres Patronats für Augenleidende. Ihr an die Seite gestellt sind die beiden wertvollen Figuren der Heiligen Simon und Phillipus von Xaver Schmädl aus Weilheim.
Das Deckengemälde im Chor zeigt die Taufe der hl. Ottilie. Es stammt von Matthäus Günther, einem Meister des Rokokos. Das mehrfach übermalte Fresko im Langhaus von Sebastian Jaud aus Haid bei Wessobrunn stellt die Heilung eines Blinden durch Christus dar.
Hochaltar und Ottilienfigur im Innern der St. Ottilien Kapelle in Rott
links: Deckenfresko im Altarraum, rechts: historische Votivtafel
Im Innern der St. Ottilien Kapelle in Rott, links Albin Völk
Die Stuckarbeiten wurden vom Wessobrunner Johann Michael in der berühmten Wessobrunner Stucktradition ausgeführt. Er hat als oberster Stuckateur am preußischen Hof in Potsdam gearbeitet, wo er für König Friedrich II zahlreiche Bauprojekte, unter anderem auch Sanssouci, mit Stuck ausstattete.
Als die Regierung kostspielige Bauverzierungen untersagte und aufwendige Stuckarbeiten verbot, um in angespannte Finanzlage des Kurfürstentums unter Max Emanuel die Ausgaben zu senken, wurde ihm die Existenzgrundlage entzogen. Er erwarb 1745 das Gasthaus zur Post in Rott und wurde Wirt.
Die Patronin Ottilie ist Schutzheilige der Blinden und Augenkranken und hilft bei Viehseuchen. Ihr Fest ist am 13. Dezember. Bis in die heutige Zeit findet in Gedenken an die Heilige an diesem Tag bei Kerzenschein eine Andacht statt.
Die Kapelle war früher ein beliebter Wallfahrtsort und Ziel vieler Bittgänge, auch bei Viehseuchen. Von den ehemals zahlreichen Votivtafeln sind aktuell nur noch wenige vorhanden. Eine Votivtafel von 1699 berichtet von einer wundersamen Heilung eines blinden Kindes.
Kalvarienberg
Im Anschluss an die Besichtigung der Kapelle machten wir eine kurze Wanderung zum Kalvarienberg, einem 753 m hohen Moränenhügel aus der Würmeiszeit. Aufgrund der ursprünglichen Vegetation wird er auch Eichberg genannt.
Um das Jahr 1100 wird vermutet, dass die „Edlen von Rott“ ihren Sitz auf dem Eichberg hatten. Die erhöhte Lage, die Nähe zur Römerstraße (Via Claudia Augusta) und die Sichtverbindung zum Lech machten den Ort strategisch interessant, sowohl für römische als auch mittelalterliche Nutzungen.
Auf dem Weg nach oben hatten wir einen Blick auf Reichling. Albin verwies auf Grabügel aus der Hallstattzeit. Zudem war hier auch der Schauplatz der Schlacht von Epfach im Jahre 743 n. Chr., wo ein Machtkampf zwischen den Karolingern und dem bayerischen Herzog Odilo stattfand. Herzog Odilo soll am Lech bei Epfach eine Befestigungsanlage errichtet und die Söhne von Karl Martell, Pippin und Karlman, verspottet haben. Diese jedoch reagierten mit einem nächtlichen Überraschungsangriff, bei dem das bayerische Heer überrumpelt und größtenteils vernichtet wurde.
Oben auf dem Plateau erwartete uns eine überlebensgroße Kreuzigungsgruppe und eine schlichte Kapelle, die bis zu ihrer Umgestaltung im Jahre 1878 der frühchristliche Märtyrin Apollonia geweiht war. Apollonia steht für innere Stärke, Schmerzbewältigung und Glaubenstreue. Wenn man die Kapelle betritt, fällt der Blick sofort auf das mit Tuffsteinen gestaltete heilige Grab. Die Christusfigur liegt in einer Nische in der Mitte einer mit Tuffstein ausgemauerten Wand. Einige farbige Glasscheiben die in den Tuffstein eingearbeitet sind erinnern an Glaskugeln der heiligen Gräber, die früher an Karfreitag in vielen Kirchen aufgebaut waren. Die ca. 50 cm große Holzstatue der heilige Appolonia mit ihren Attributen, einer Zange mit einem Zahn, wurde in den 90er Jahren zur Sicherheit in den Pfarrhof verbracht.
Kreuzigungsgruppe und Kapelle auf dem Kalvarienberg bei Rott
Im Innern der Kapelle auf dem Kalvarienberg
Nächste Station war der Lorenzberg mit der Lorenzkapelle. Auf dem Weg dorthin haben wir noch die Reste der römischen Straßenführung erwandert.
Die Via Claudia Augusta gilt als wichtigste römische Nord-Süd-Verbindung. Sie verlief westlich von Rott, über Epfach (Abodiacum) weiter Richtung Augsburg. Es gab Nebenstraßen und Verbindungswege, die von dieser Hauptstraße abzweigten – etwa Richtung Wessobrunn, Dießen, oder Raisting. Viele Römerstraßen wurden im Laufe der Jahrhunderte überbaut und bilden heute die Grundlage für moderne Verkehrswege, deren Verlauf oft noch dem antiken Trassenverlauf folgt. Abweichende Straßenführungen sind teilweise noch in der Flur erkennbar, als Hohlweg oder Damm.
Lorenzberg
Die Römer waren schon 14 v. Chr. am Lech und haben auf dem Lorenzberg, der bereits von Keltenstämmen aus dem Geschlecht der „Abod“ besiedelt war, eine Militärstation errichtet. Später entwickelte sich an der Stelle des heutigen Dorfes eine Stadt mit dem Namen Abodiacum, welche mit dem Recht der Selbstverwaltung und mit dem Sitz einer Kreisbehörde ausgestattet war. In Abodiacum kreuzten sich die einstigen Römerstraßen Augsburg - Verona (Via Claudia Augusta) und Kempten - Salzburg. Hier war auch die Stelle des Lechübergangs.
Ab etwa 260 n. Chr. zogen sich die Römer wieder auf den Lorenzberg zurück und sicherten ihn mit einer Umfassungsmauer. Um das Jahr 1885 wurden am Lorenzberg in Epfach archäologische Ausgrabungen durchgeführt. Dabei legte man Teile der spätrömischen Umfassungsmauer frei, die einst die befestigte Siedlung Abodiacum umgab. Besonders bemerkenswert war der Fund des sogenannten Laufbahnsteins des Claudius Paternus Clementianus, dem prominentesten Bürger von Abodiacum, dem römischen Statthalter der Provinz Noricum, dessen Karriere in einer Inschrift dokumentiert ist.
Vor der Kapelle auf dem Lorenzberg
Infotafel auf dem Lorenzberg
Teile der freigelegten Mauer wurden verkauft und als Baumaterial weiterverwendet. Diese Praxis war damals nicht ungewöhnlich, da der Denkmalschutz noch kaum etabliert war und antike Ruinen oft als nützliches Steinlager betrachtet wurden.
Die Kapelle auf dem Lorenzberg gilt als ältester christlicher Sakralbau nördlich der Alpen. Bereits im frühen 12. Jahrhundert wurde auf dem Lorenzberg eine Kapelle erwähnt und archäologische Grabungen belegten drei Vorgängerbauten. Der älteste, aus Stein errichtete Bau mit dreigliedrigem Ostabschluss, stammt vermutlich aus frühchristlicher Zeit, war aber im 6. und 7. Jahrhundert bereits Ruine. In seinem Inneren fanden sich frühmittelalterliche Körpergräber. Die heutige Kapelle wurde 1751 nach Plänen von Stephan Socher erbaut.
Epfach
Nach unserer Mitttagspause im Gasthaus zur Sonne in Epfach informierte uns der Museumsleiter Markus Martin im kleinen Museum Abodiacum und bei einer Führung durch den Ort über das Leben der Römer in Epfach während ihres 400 jährigen Aufenthaltes.
Museum Abodiacum
Das "Museum Abodiacum", das in einem ehemaligen Feuerwehrhaus in der Ortsmitte untergebracht ist, gibt in Texten, Modellen und ausgewählten Funden einen Überblick. Es ist täglich von 10:00 Uhr bis 17:00 Uhr geöffnet. Die Ausstellung zeigt originale Funde wie Münzen, Keramik und Waffen, Modelle römischer Gebäude sowie einen lebensgroßen Legionär. Ein besonderer Schwerpunkt liegt auf Claudius Paternus Clementianus, dem bedeutendsten bekannten römischen Bürger Epfachs.
Ein weiteres Highlight ist das rekonstruierte Nymphäum, ein kleines römisches Brunnenhaus, das 1987 beim Bau des Feuerwehrhauses entdeckt und anschließend versetzt wurde. Es handelt sich um einen quadratischen Bau mit halbrundem Wasserbecken, der vermutlich Teil einer Garten- oder Badeanlage war und möglicherweise einer Wassergottheit (Nymphe) geweiht war – daher die Bezeichnung „Nymphäum“.
Markus Martin aus Epfach führte uns durch das kleine Museum
Vor dem Museum: Ein Gedenkstein an die Römerstadt Abodiacum
Kopie der Büste des Claudius Paternus Clementianus, das Original ist in Klagenfurt, Österreich
Laufbahnstein (Kopie) des Claudius Paternus Clementianus,
das Original befindet sich in der Sammlung des Römischen Museum Augsburg
Modell des Lorenzbergs
Das "Nymphäum" in Epfach
Infotafel zum römischen Brunnenhaus in Epfach
Unser letztes Ziel war die rekonstruierte Römerstraße in Epfach. Ein anschauliches Freilichtobjekt, das den Verlauf der antiken Via Claudia Augusta im Ortsbereich sichtbar macht. Sie wurde im Rahmen der touristischen und historischen Aufwertung des Ortes nachgebildet und vermittelt ein eindrucksvolles Bild römischer Straßenbaukunst. Die Straße zeigt den typischen mehrschichtigen Aufbau römischer Fernstraßen: mit Kies-, Sand- und Steinlagen, sorgfältig verdichtet und leicht gewölbt zur besseren Entwässerung.
Rekonstruierter Teil der Römerstraße durch Epfach
Vor der Legionärs-Skulptur auf der rekonstruierten Römerstraße