Am 20. November hielt der provinzialrömische Archäologe Peter Gerhardt einen Vortrag über das Römische Raisting und die dortigen Funde und Befunde. Er begann mit einem Überblick über die geschichtlichen Zusammenhänge der römischen Expansion. Während Gallien und das benachbarte Noricum bereits unter römischem Einfluss standen, blieb das Alpenvorland zwischen Schwarzwald, Donau und Inn zunächst außerhalb römischer Kontrolle.
Die Eroberung dieser Region im Alpenfeldzug 15 v. Chr. durch Tiberius und Drusus war jedoch aus strategischen Gründen sinnvoll: Sie erleichterte Truppenbewegungen, verhinderte gegnerische Einfälle und diente der weiteren Ausdehnung des Reiches. Frühzeitig wurden Militärlager errichtet, etwa auf dem Auerberg, dem Lorenzberg, in Augsburg-Oberhausen und sehr wahrscheinlich auch in Andechs.
Plakat des Vortrags
Die Römer nutzten ihr Straßennetz, um ihre Expansion voranzutreiben. Bekannt ist die Via Claudia Augusta, die als Nord-Süd-Verbindung über den Reschenpass über Augsburg an die Donau führte., ebenso die Via Raetia über den Brennerpass. Zusätzlich gab es eine wichtige Ost-West-Verbindung von Kempten, dem antiken Cambodunum, nach Salzburg, dem römischen Iuvavum. Diese Straße stellt eine der ältesten Verbindungen dar und ist sicher Anfang des 1. Jh. n.Chr. entstanden. Sie verlief über die Raistinger Platte und Vorderfischen und war vermutlich schon in keltischer Zeit eine bedeutende Route. Interessant ist, dass nördlich dieser Straße keltische Viereckschanzen zu finden sind, südlich davon jedoch nur selten. Die Raeter in der Alpenregion errichteten solche Anlagen nicht, sodass die Straße vielleicht auch eine alte keltische Kulturgrenze beschreibt, zwischen den Alpenvölkern und den gallisch orientierten Kelten des Alpenvorlands.
In der Tabula Peutingeriana wird neben Kempten (Cambodunum), Gauting (Bratananio) und Salzburg (Iuvavum) auch der Ort Urusa genannt. Viele Forscher vermuten, dass es sich dabei um eine römische Siedlung oder Straßenstation bei Raisting handelt, auch wenn die Entfernungsangaben nicht exakt passen. Schon der Archäologe Paul Reinecke vertrat diese Ansicht, obwohl damals nur wenige Funde bekannt waren.
Herzlichen Dank an Herr Stefan Scheifele vom Heimatmuseum Raisting für die Zurverfügungstellung einiger seiner Funde aus dem Raistinger Raum

Auswahl von Funden aus dem Raistiger Heimatmuseum
Raisting bot sich als Siedlungsort an, da die Rott am Auslauf eine Schotterplatte gebildet hat, die sich wenige Meter über das moorige Ammerseebecken erhebt. Diese Fläche war in der ansonsten sumpfigen Landschaft ideal für eine Besiedlung geeignet. Die Ammer hingegen war ein ungebändigter Fluss, der regelmäßig überflutete und seinen Lauf veränderte. In Raisting, nahe des heutigen Radoms, genau dort, wo sich heute eine Kiesgrube befindet, wurden bedeutende römische Siedlungsreste entdeckt. In den Jahren 1986, 1987 und 1994 fanden drei Grabungen statt, die sowohl staatlich als auch von privaten Grabungsfirmendurchgeführt wurden. Von den insgesamt 4,5 Hektar Siedlungsfläche konnten nur 1,5 Hektar untersucht werden, da parallel Kiesabbau betrieben wurde.
Peter Gerhardt hat diese Grabungen in seiner Masterarbeit ausgewertet. Besonders hervorzuheben sind die Gebäude mit Hypokaustenheizungen. Ein erstes Gebäude mit mindestens zwei Bauphasen enthielt keinerlei Fundmaterial: Die Bauweise deutet stark auf ein Badehaus hin, es könnte sich allerdings auch um ein Wohnhaus handeln. Ein zweites Hypokaustum war Teil eines Wohnhauses aus dem 2. Jahrhundert. Hier fanden sich Reste von
185 kleinen Pfeilern des Unterbaus der Fußebodenheizung, die in zwei Bauphasen gesetzt wurden. Besonders interessant war, dass noch die Richtschnüre erkennbar waren, mit denen die Säulen ausgerichtet wurden. In diesem Gebäude wurde Terra Sigillata gefunden, gehobenes Essgeschirr, auf dessen Unterseite ein Grafitto (Ritzungen) den Besitzer erkennen lassen. Als frühester Fund gilt eine Aucissafibel, eine typische Soldatenfibel aus der 1. Hälfte des 1. Jahrhundert n. Chr., die zeigt, dass die Römer schon früh in Raisting präsent waren.
In einem Erdkeller, der vermutlich verschlossen war, fand man zwei Reibschüsseln, zwei Wetzsteine und Terra Sigillata mit floralen Mustern sowie Glasimitationen, die sehr wahrscheinlich in Rheinzabern hergestellt wurden. Besonders bemerkenswert waren zwei seltene Stücke: eine Schale, die Silbergeschirr nachempfand, und ein kleiner, sehr dünnwandiger Krug,
möglicherweise für Garum, die den gehobenen Geschmack des Besitzers erkennen lassen. Ein weiteres Hypokaustum zeigte Spuren einer Renovierung, bei der die Heizung erneuert wurde. Erkennbar war dies dadurch, dass der Raum im nördlichen Bereich kleinere Sockel und kleinere Ziegel sowie einen anderen Estrich aufwies. Von diesem Haus ist Wandverputz mit aufwendiger Bemalung erhalten, die Naturdarstellungen und florale Muster zeigt. Große Mengen an Brandschutt lassen vermuten, dass das Gebäude durch ein Feuer in den 280er Jahren n. Chr. zerstört wurde.
In einer Grube neben einem Backofen wurden ein Terra-Sigillata-Teller, ein eisernes Kesselgehänge und ein Dosenschloss gefunden. Es scheint, dass diese Grube als Versteck diente und ursprünglich mehr Objekte enthielt.
Die Siedlung bestand aus Stein- und Holzgebäuden, sogenannten Pfostenständerbauten, und war von einem Graben umgeben, der vermutlich einen Zaun oder eine Hecke trug. Ein Durchgang im Westen hatte die Breite des Weges, der durch die Siedlung führte, jedoch schmaler war, als man es von einer römischen Straße erwarten würde. Aufgrund der Bauweise kann man nicht von einem Vicus sprechen, da die typische Anordnung von Streifenhäusern fehlt. Vielmehr handelt es sich um eine gut ausgestattete Villa Rustica oder eine Straßenstation (Mansio).
In westlicher Richtung, entlang des Hanges und an einer Furt über die Rott, wurden weitere römische Funde entdeckt, die den Verlauf einer Römerstraße nahelegen. An einem Burgstall nahe einer Waldlichtung wurden kalzinierte Knochen gefunden, die auf einen Brandopferplatz oder ein Verbrennungsplatz hindeuten könnten. Römische Gräberfelder lagen in der Regel an Straßen, so auch im heutigen Raistinger Gewerbegebiet. Die Frage bleibt, ob Urusa mit Raisting oder mit Andechs gleichzusetzen ist, oder ob beide Orte gemeint sind – zunächst Andechs als militärischer Standort und später Raisting als Siedlungsort. Vergleiche mit dem Auerberg und dem Lorenzberg legen nahe, dass auch Andechs früh besiedelt war, möglicherweise bereits in den Jahren nach dem Feldzug 15 v.Chr. bis in claudische Zeit, als claudischer Zeit, bevor viele Militäranlagen wieder aufgegeben wurden.
Der Vortrag von Peter Gerhardt zeiget eindrucksvoll, wie tief die Spuren der Römer in unserer Landschaft verwurzelt sind und dass Geschichte nicht nur in Büchern steht, sondern direkt unter unseren Füßen liegt.
von links: Friedrike Hellerer (Verein für Archäologie und Geschichte Herrsching), Peter Gerhardt, Stefan Scheifele, Dr. Sabine Pfannenberg (Verein Kulturlandschaft Ammersee - Lech)





















